Rekonvaleszentenplasma zur Covid-19-Therapie effektiv
Salazar E et al. Treatment of COVID-19 Patients with Convalescent Plasma Reveals a Signal of Significantly Decreased Mortality. Am J Pathol 2020 Aug 11;S0002-9440(20)30370-9. doi: 10.1016/j.ajpath.2020.08.001.
Nach ernstzunehmenden Hinweisen bestätigt sich jetzt der erste, hoffnungsvolle Eindruck aus Meta-Analysen von Fallberichten, Fallserien und retrospektiven Analysen (wir berichteten).
Zuletzt hatte die Mayoclinic von der Sicherheit und den Nebenwirkungen der Anwendung an 5000 Patienten berichtet. In dieser nicht begutachteten Pre-Print-Publikation von Joyner et al. (Pubmed) (Full Text) ergab sich einen 7 Tage Mortalität von knapp 15% und "vertretbare" Nebenwirkungen (n=31, darunter 7 x TACO). Unsere kritische Bewertung finden sie hier.
Eine Schnellanalyse der Cochrane-Instituts ergab unsichere Aussagen hinsichtlich Effektivität und Sicherheit aufgrund der ungenügenden Datenqualität und noch geringen Fallzahl. Das im Juli zuletzt veröffentlichte Update dieses "Living Review" änderte trotz geringfügig verbesserter Datenbasis nur wenig (Update). (Unsere Rezension)
Jetzt aktuell ist die Interimsanalyse einer prospektiven Single-Center-Studie aus Houston, Texas mit 314 seit März bis Juli gematchten Patienten veröffentlicht (nach Propensity Score hinsichtlich Alter, Gewicht, Begleiterkrankungen und dem Grad der Atemunterstützung gematcht. Die genaue Bezeichnung des benutzten Verfahrens ist beachtenswert: "one-to-many nearest neighbor propensity score matching without replacement using an initial ratio of case:control = 1:3 and caliper of 1" !)
In 8 städtischen Einrichtungen wurden die schweren und lebensbedrohlichen verlaufenden Krankheitsverläufe als geeignet für die Therapie mit RKP erachtet. Sie erhielten erst eine Einheit, bei weiterer klinischer Verschlechterung eine zweite Einheit des RKP (wenn verfügbar) mit gemessenem Elisa-Titer gegen das Spike-Protein. Die gleiche Arbeitsgruppe hatte zuvor als Preprint nachgewiesen (Salazar E. et al. Relationship between Anti-Spike Protein Antibody Titers and SARS-CoV-2 In Vitro Virus Neutralization in Convalescent Plasma. bioRxiv 2020), dass ein anti-RBD-IgG-Titer von 1:1350 eine 80% Wahrscheinlichkeit für einen Titer an neutralisierenden Antikörper ≥1:160 enthält.
Beim Vergleich von jeweils n=112 Patienten pro Gruppe (Rekonvaleszentenplasma (RKP)) versus Kontrolle ergaben sich einige Ungleichheiten der Gruppenzusammensetzung: Transfundierte Patienten waren jünger, eher männlich, übergewichtiger, mit weniger Begleiterkrankungen, aber höheren Entzündungswerten und Sauerstoff/Atemunterstützungsbedarf bei Einschluss.
Die Mehrzahl der Transfundierten (76%) erhielt nur eine Einheit RKP. Verglichen wurden n=136 transfundierte Patienten mit n=256 nicht behandelten Covid-19 Erkrankten. Wurde das RKP innerhalb 72 h nach Krankenhausaufnahme verabreicht, war die 28-Tage-Mortalität nur dann gesenkt, wenn der anti-RBD IgG-Titer die kritische, vorher festgelegte Marke von 1:1350 überstieg (p=0.045); sonst fand sich lediglich ein Trend zur gesenkten Sterblichkeit innerhalb 28 Tage (RR 3.50 (95% confidence interval (CI) 0.87, 14.08); p=0.08).
Die Gesamtmortalität war zu allen Zeitpunkten aber deutlich gesenkt, wobei der frühe Therapiebeginn ohne Bezug zum Symptombeginn den meisten Einfluss hatte:
- RKP-Therapie früher als 72 Stunden- 1,7% vs. 12,5%, p=0,01;
- RKP Therapie mit hochwertigem AK-Titer >1:1350- 3,5% vs.6,7%, p=0,42;
- RKP-Therapie weniger oder mehr als 7 Tage nach Symptombeginn- 3,1% vs. 5,9, p=0,42;
- RKP-Therapie mit hohem AK-Titer > 1:1350 UND kürzer als 72h nach Aufnahme- 2,1% vs. 20%, p=0,004 .
Wurden die mit ausreichendem AK-Titer im RKP behandelten Patienten gegenüber den nicht-behandelten Patienten verglichen, ergaben sich eine 7 fach erhöhte Gesamtsterblichkeit [RR 7.53 (95% CI 1.12, 50.46); P = 0.04] und ein Trend zur 5fach gesteigerten 28 Tage -Mortalität [RR 5.92 (95% CI 0.90, 38.84); P = 0.06] bei fehlender RKP-Therapie. Wurde das RKP zu spät (über 72h nach Aufnahme) verabreicht, war die 28-Tage -Mortalität gleich [RR 0.89 (95% CI 0.24, 3.30); P = 0.86] und [RR 0.81 (95% CI 0.25, 2.69); P = 0.74]. Die weiteren Studienziele waren großteils in der Gruppe der frühzeitig mit hohem AK-Titer behandelten RKP-Patienten zum Zeitpunkt der Interimsanalyse erreicht.
Damit ist die noch andauernde Studie bereits jetzt zur Interimsanalyse ein wichtiger Hinweis auf die Wirksamkeit der RKP-Therapie. Mehr noch, sie gibt klare Empfehlungen zum Zeitpunkt, zur Qualität und zur Dosis der RKP. Die virus-neutralisierenden AK waren schon früher in einer Titerhöhe > 1: 160 für bedeutsam gefunden worden, was laut dieser Arbeitsgruppe gut mit der konstatierten Titerhöhe der anti-ektodomänen-AK (gegen das Spikeprotein) von 1:1350 korreliert. Der frühe Zeitpunkt von 72 h nach Aufnahme ist vermutlich nur bei einer raschen Progredienz der Symptomatik zu verallgemeinern, da die stationäre Einweisungsfreudigkeit von der Auslastung des Gesundheitssystem und der Aufmerksamkeit der Einweisenden abhängt. Vielleicht sind diesbezüglich noch weitere Informationen und Variablen wie das CRP, der Grad der respiratorischen Unterstützungsnotwendigkeit o.ä. für die Festlegung des Zeitpunkts für den optimalen Therapiebeginn notwendig.
Für Sie gelesen von Th. Frietsch