Volumentherapie mit HAES bei großen Operationen- FLASH

Futier E. et al. Effekt of Hydroxyethyl Starch vs Saline for Volume Replacement Therapy on Death or PÜostoperative Complications Among High- Risk Patients UNdergoing Major Abdominal Surgery. JAMA 2020 Jan 21:323 (3):225-236

Begleitet von einer kommentierenden Warnung (Zampieri & Cavalcanti) und einem Editorial (Antonelli & Sandroni) ist im JAMA nun eine multizentrische Studie FLASH erschienen, die die Gefährdung von Patienten bei großen Operationen untersucht, die mit dem Volumenersatzmittel Hydroxyäthylstärke (HAES) behandelt wurden.

HAES soll zum raschen Volumenausgleich des Blutverlusts bei Operationen führen, ohne dabei zum Verlust des kolloidosmotischen Drucks im Gefäßbett und Gewebsödemen beizutragen. Bei der Anwendung hatte sich aber dann aber der Verdacht auf nephrotoxische Effekte und eine erhöhte Sterblichkeit vor allem in der Sepsis herausgestellt (N. Haase, N et al. Hydroxyethyl starch 130/0.38-0.45 versus crystalloid or albumin in patients with sepsis: systematic review with meta-analysis and trial sequential analysis. BMJ 2013; 346: 346, doi:10.1136/bmj.f839).(Der Arzneimittelbrief dazu).

Die Frage, die sich dann vor allem in Deutschland aufgrund der Empfehlung des BfArM 2013 ergab, war, ob man die HAES-Lösungen alle nicht mehr verwenden solle (da die Zulassung entzogen war ("ruhte")) oder ob man sie für größere Eingriffe durchaus noch benutzen könne. Die europäische Arzneimittelbehörde EMA hatte 2018 empfohlen, die HAES-Produkte vom Markt zu nehmen, in Deutschland war nur noch ein kontrollierter Zugang an speziell geschultes Personal von Seiten des BfArM möglich. Mehrere deutsche Fachgesellschaften wie die deutsche interdisziplinäre Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin DIVI informierten, ebenso die deutsche Gesellschaft für Transfusionsmedizin und Immunologie DGTI  jeweils für die Anwendungsbereiche in ihrem Fachgebiet. Die AWMF S3-Leitlinie zur Volumenersatztherapie beim Erwachsenen von 2020 hatte die Anwendung zum akuten Blutverlust noch zugelassen. Grundlage war unter anderem die Meta-Analyse von Qureshi et al.  Meta-analysis of colloids versus crystalloids in critically ill, trauma and surgical patients.  Br J Surg. 2016;103(1):14-26. doi:10.1002/bjs.9943.

Die EMA hatte 2 größere Studien zum Einsatz in der Traumatologie und zum perioperativen Volumenersatz in Auftrag gegeben: Die erste Studie dazu stellt die nun publizierte FLASH von Futier und Kollegen dar. Da sich aufgrund der nun selten gewordenen Anwendungen kaum mehr Daten für diese spezielle Indikation gewinnen lassen, ist die französische Studie bedeutsam.

Zwischen 2016 und 2018 wurden in 20 französischen Häusern bei großen abdominellen Eingriffen, die länger als für 2h geplant waren, diejenigen Patienten herausgesucht und randomisiert, die ein erhöhtes Risiko für eine akute Nierenschädigung hatten. Patienten mit schwerer vorbestehender Nieren- und/oder Herzinsuffizienz wurden nicht eingeschlossen. Die eine Gruppe erhielt den Volumenersatz mit der 6% igen Hydroxyethylstärke HES 130/0.4 (n=408), die Kontrollgruppe 0.9% Kochsalzlösung (n= 409). Der Boluseinsatz von 250 ml-Dosen innerhalb von 5 min wurde in beiden Gruppen nach einem Herzauswurf (stroke-volume)-gesteuerten Algorithmus reguliert. Diese Flüssigkeitstherapie wurde für 24 h aufrechterhalten und bis zu einem Maximum von 30 ml/kg KG fortgeführt. Bei Überschreiten der täglichen Höchstdosis wurde mit Kochsalzlösung weitertherapiert, eine Erhaltungsinfusion von 4ml/kg/h Ringerlösung war die Basistherapie. Die primären Studienziele waren die Letalität und größere perioperative Komplikationen wie akutes Nierenversagen, akute Herzinsuffizienz, Beatmung oder ungeplante Revisionseingriffe innerhalb von 14 Tagen. Sekundär wurden weitere Komplikationen sowie die 90 Tage-Letalität, posthoc die gleichen Outcomes nach 28 Tagen sowie die Flüssigkeitsbilanz am 1 Tag, der Bedarf an Vasopressoren und Blutrodukten untersucht.

Intraoperativ benötigten beide Gruppen 1500ml Flüssigkeitsersatz (Differenz 0ml, 95% CI −147 to +147 ml; p =0.60), innerhalb von 24h aber die Kochsalzgruppe 250ml mehr (Differenz 250 ml, 95% CI, 83-417 ml; p = 0.006). Mehr Patienten in der Kontrollgruppe (n=111 vs n=79) benötigten die nach dem hämodynamischen Algorithmus vorgesehenen Dosen freier Kochsalzvolumina (Differenz −8.5%; 95% CI, −14.5% to −2.4%, p = 0.006). Kumulativ erhielt die HAES-Gruppe ca. 500ml weniger Volumen im Studienzeitraum ((4000 ml (Quartilen 3000-5000 ml) vs. 4500 ml (Quartilen 3350-6000 ml); Differenz 500 ml, 95% CI, 175-824 ml; p =0 .001).

Das Outcome Nierenschaden wurde nach den Kidney Disease Improving Global Outcomes (KDIGO) Kriterien eingeteilt ( je höher desto schwerer der Schaden):

  • KDIGO stage 1: increase in serum creatinine × 1.5 to 1.9 OR ≥26.5 μmol/L from baseline OR urine output <0.5 mL/kg/h for 6 to 12 h
  • KDIGO stage 2: increase in serum creatinine × 2.0 to 2.9 from baseline OR urine output <0.5 mL/kg/h for ≥12 h
  • KDIGO stage 3: increase in serum creatinine × 3.0 from baseline OR ≥353 μmol/L OR initiation of renal replacement therapy OR urine output <0.3 mL/kg/h for ≥24 h OR anuria ≥12 h)

Nach 14 Tagen waren 139 von 389 Patienten (36%) in der HAES Gruppe und 125 von 386 Patienten (32%) in der Kochsalzgruppe gestorben oder hatten größere Komplikationen erlitten (Differenz 3.3% (95% CI, −3.3% to 10.0%); RR (relative risk) 1.10 (95% CI, 0.91-1.34) p =0 .33, n.s.).

Eine akute Nierenschädigung trat in der HAES-Gruppe häufiger (22% vs.16% der Patienten) auf (Differenz 5.5% (95% CI, 0.1%-11.1%); RR 1.34 (95% CI, 1.00-1.80)p =0 .05). Im Studienzeitraum von 14 Tagen erlitten bevorzugt Patienten der HAES Gruppe einen erstgradigen Nierenschaden (nach KDIGO)(15% vs 10%; Differenz 5.1% (95% CI, 0.1%-10.1%); RR 1.61 (95% CI, 1.04-2.48) p= 0.03). Die Letalität nach 28 Tagen war in der HAES-Gruppe nicht signifikant erhöht (4.1% vs 2.3%, RR 1.76 (95% CI, 0.79-3.94) p = 0.17, n.s.), jedoch erlitten mehr Patienten der HAES- Therapie einen Nierenschaden (RR 1.36 (95% CI, 1.02-1.82), p = 0.04).

Die posthoc-Analyse ergab, dass die algorithmiusbasierte Therapie mit HAES im Vergleich zu Kochsalzlösung dazu führte, dass weniger häufig eine positive Flüssigkeitsbilanz (Differenz 575ml, p=0,001), eine höhere Auswurfleistung bei Hautnaht (Differenz 4ml/m2, p< 0.001) und Urinausscheidung (Differenz 80ml, p< 0.001) erreicht wurde, weniger Katecholaminbedarf pro Patient bestand (Differenz −0.02 μg/kg/min (95% CI, −0.03 to −0.01 μg/kg/min, p = 0.01)), aber mehr Patienten Bluttransfusionen benötigten (19% vs. 12%; Differenz 7.6% (95% CI, 2.6%-12.7%), p =0 .003).

Diese Studie muss durch die Verwendung des adäquat gesteuerten Volumenbedarfs als methodisch die Beste existierende bewertet werden, - mit breiter Verallgemeinerungswürdigkeit, da pragmatisch und in vielen Zentren durchgeführt. Obwohl sich keine eindeutigen Ergebnisse des vermehren Versterbens durch die HAES-Therapie bei den Risikopatienten für eine Nierenschädigung ergaben, sind die Signale bezüglich der Nierenschädigung klar geworden.

Fazit: Die Verwendung von HAES auch zum postoperativen Volumenersatz kann weiterhin nicht empfohlen werden. Für die Risikoeinschätzung der Patienten für einen Nierenschaden ergeben sich zwar einige Hinweise aus der in dieser Studie zugrundegelegten Risikoanalyse von 2009 wie das Alter > 56 J, Männer, Notfalleingriffe, Intraperitoneal-Chirurgie, Diabetes mellitus, vorbestehende Herzinsuffizienz, Ascites, arterielle Hypertension, sowie präoperativ existiende Niereninsuffizienz, aber da diese Risikofaktoren selten ganz ausgeschlossen werden können, ist meine Einschätzung, dass eine Schädigung durch den HAES-Einsatz bei allen Patienten nicht provoziert werden sollte.

Pubmed

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Für Sie gelesen von Th. Frietsch

 

 

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