Übertransfusion durch die Ausrichtung am Hämoglobinspiegel und die Verabreichung von Doppeleinheiten

Lucas DJ, Ejaz A, Spolverato G, et al. Packed red blood cell transfusion after surgery: are we "overtranfusing" our patients? Am J Surg 2016;212:1-9.

Mit Daten aus einer prospektiven Datenbank für Hämotherapie führten Lucas und Co-Autoren eine Analyse der 2 905 Patienten, die sich großen Baucheingriffen am Johns Hopkins Hospital zwischen 2010 und 2013 unterziehen mussten, durch. Unter den 895 Patienten (30,8 %), die eine Erythrozyten-Transfusion erhalten hatten (intra- und/oder postoperativ) wurden mehr als der Hälfte (57 %) der Fälle übertransfundiert (definiert als Patienten mit einem Ziel-Hämoglobin von 9 g/dL oder höher). Das Risiko übetransfundiert zu werden, war 1.46 mal höher wenn als Transfusions-Trigger ein Hämoglobinspiegel von 8 g/dL als wenn ein Trigger unter 7 g/dL vereinbart wurde. Transfusion von mehr als einem Erythrozytenkonzentrat erhöht das Risiko für Übertransfusion um das 1,54 fache.

Bemerkenswert ist, dass die Entlassung bei einem höheren Hämoglobinspiegel nicht mit weniger Komplikationen im Krankenhaus und einer geringeren Aufenthaltsdauer im Krankenhaus (1.4 vs. 2,9 Tage) vergesellschaftet war. Die Variationsbreite der Übertransfusion reichte von 0 % bis 80 % beim verantwortlichen Mediziner und von 0 % bis 39 % beim Patienten über einem Hb-Spiegel von 8g/dl. 

Eine große Schwäche dieser Studie und eines Systems, das oftmals den Hämoglobinspiegel als alleinigen Transfusionstrigger benutzt, ist, dass die klinischen Symptome der Anämie und somit auch Transfusionen aus dieser Indikation heraus unberücksichtigt bleiben. Eine weitere Einschränkung ist, dass Komplikationen aus einer administrativen Datenbank nur aufgrund der Codierung entnommen wurden und nur bis zur Entlassung erfasst wurden.

Die Autoren folgern dennoch mit einiger Berechtigung, dass die strikte Einhaltung einer restriktiveren Transfusionsstrategie und die Vermeidung der Verabreichung von Doppeleinheiten sinnvoll ist, Laut den analysierten Daten hätten 0,8 EKs pro transfundiertem Patienten oder 20 % aller Blutkonserven eingespart werden können. Die beobachtete Variabilität der Transfusionspraxis spiegele einen Mangel an standardisierter Medizin wider. Die Ergebnisse dieser Studie zeigen deutlich die Notwendigkeit eines strikt angewandten Hämotherapiekonzepts, vor allem um die routinemäßige Verabreichung von Doppeleinheiten zu vermeiden.

PubMed

Rezensiert von T. Frietsch

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